Entschädigungspflicht für TK-Überwachungsmaßnahmen aufgrund Vorratsdatenspeicherung

Verwaltungsgericht Berlin

Beschluss v. 17.10.2008 - Az.: VG 27 A 232.08

Leitsatz

1. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die Verpflichtung zur technischen Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen nach § 113 a TKG (sog. Vorratsdatenspeicherung) auf Kosten privater Telekommunikations-Dienstleister verfassungsgemäß ist, denn es werden Private für eigentlich staatliche Aufgaben entschädigungslos in Anspruch genommen.

2. Diese Verpflichtung wird daher bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgesetzt.

Tenor

In der Verwaltungsstreitsache (…) gegen (…) hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch (…) am 17. Oktober 2008 beschlossen:

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung untersagt, vor einer Entscheidung der Kammer im Hauptsacheverfahren erster Instanz (VG 27 A 125.08) gegen die Antragstellerin Maßnahmen wegen des Unterlassens der Vorhaltung von Anlagen zur Vorratsspeicherung einzuleiten.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 500.000,- Euro festgesetzt.

Sachverhalt

vgl. Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

I.

Die Antragstellerin ist eine Tochter der (…) mit Sitz in (…). Sie betreibt als Telekommunikationsunternehmen eigene Telekommunikationsnetze und bietet über diese Dienstleistungen an. Sie ist nach eigenen Angaben auf das Geschäft mit großen und größten Unternehmenskunden - Konzerne und staatliche Organisationen, darunter Behörden des Bundes und Bundesländer - spezialisiert und entwickelt und betreibt für diese Kunden Unternehmensnetze.

Nach §§ 110 Abs. 1, 113a TKG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3198), in Kraft seit 1. Januar 2008, ist die Antragstellerin verpflichtet, auf eigene Kosten technische Anlagen zur Speicherung bestimmter Verkehrsdaten vorzuhalten und Auskunftsersuchen der berechtigten Stellen unverzüglich zu beantworten. Die Verletzung dieser Pflichten stellt ab 1. Januar 2009 eine Ordnungswidrigkeit dar.

Die Antragstellerin hat am 29. April 2008 Klage erhoben (VG 27 A 125.08), mit der sie die Feststellung begehrt, nicht zur Umsetzung der Verpflichtung zur Vorhaltung der technischen Anlagen zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet zu sein. Hierüber ist noch nicht entschieden.

Mit ihrem Antrag vom 12. August 2008 begehrt sie hinsichtlich der Umsetzung der Verpflichtung zur Vorhaltung der technischen Anlagen zur Vorratsdatenspeicherung vorläufigen Rechtsschutz. Hierfür trägt sie vor: Die Verpflichtung, diese technischen Anlagen auf eigene Kosten und ohne angemessene Kostenerstattung vorzuhalten, verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG und sei daher verfassungswidrig. Durch § 113a TKG werde sie zu massiven Änderungen und Erweiterungen ihrer Produktplattform gezwungen.

Sie müsse ihre Technik und Netzinfrastruktur erheblich aufrüsten, in erheblichem Umfang Programmierarbeiten in Bestandssystemen vornehmen und zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung schnellstmöglich ein Datenverwaltungs- und ein Suchsystem einrichten. Dies mache basierend auf dem derzeit verwendeten System zur Datenspeicherung ein Upgrade erforderlich, darüber hinaus sei eine mit einem Wechsel des Serveranbieters verbundene Erneuerung der Hardware sowie eine Weiterentwicklung der Software erforderlich.

Für die technische Implementierung solcher Systeme sei mit kurzfristig aufzubringenden Kosten in Höhe von mindestens 720.000 Euro zu rechnen, daneben entstünden Betriebskosten für die Wartung der Systeme und für die Beantwortung von Anfragen in Höhe von mindestens 420.000 Euro jährlich. Für die Investitionskosten sei keine Entschädigung vorgesehen, auch die im Rahmen eines Gesetzesvorhabens künftig vorgesehene Entschädigung für die Kosten der Auskunftserteilung pro Abfrage sei für die laufenden Betriebskosten in ihrem Falle inadäquat, weil angesichts ihres Kundenkreises nur wenige Abfragen der Strafverfolgungsbehörden zu erwarten seien.

In der Vergangenheit seien ihr gegenüber seit 2003 nur zwischen null und vier Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung angeordnet worden. Danach bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch wie auch ein Anordnungsgrund. Der Anordnungsanspruch folge bereits aus der Verfassungswidrigkeit ihrer Inanspruchnahme zu Maßnahmen für die Vorratsdatenspeicherung zum Zwecke der Telekommunikationsüberwachung auf eigene Kosten.

Der Anordnungsgrund ergebe sich schon daraus, daß die fehlende oder unzureichende Umsetzung der in § 113a TKG bezeichneten Pflichten ab Beginn des Jahres 2009 mit einem Bußgeld strafbewehrt sei und bis dahin realistischerweise eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zu erlangen sei. Darüber hinaus überwöge die Schwere der ihr entstehenden Nachteile das Interesse am Vollzug der gesetzlichen Bestimmung bei Weitem. Angesichts ihres Kundenstammes sei zu erwarten, daß sie nur in sehr seltenen Fällen Anfragen der zuständigen Behörden zu bei ihr gespeicherten Telekommunikationsvorgängen zu erwarten habe.

Die staatliche Aufgabe der Telekommunikationsüberwachung werde daher bei Erlaß der beantragten Anordnung nicht wesentlich beeinträchtigt. Dabei sei bedeutsam, daß eine lückenlose Überwachung des Telekommunikationsverkehrs weder vom Gesetzgeber beabsichtigt noch tatsächlich möglich sei. Nach der bestehenden gesetzlichen Regelung seien bereits private Netze - darunter universitätsinterne E-Mail-Server - von der Überwachung ausgenommen.

Praktisch sei keine Lückenlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung erreichbar, denn diese erfasse beispielsweise Kommunikationsvorgänge nicht, die aus einer Telefonzelle herrührten oder die in einem geschützten Internetbereich abrufbar gespeichert würden, wie es bei sog. "toten Briefkästen", aber auch im Rahmen von Multiplayer-Computerspielen oder Chat-Räumen der Fall sei. In diesen Fällen sei eine ausreichende Korrelation zu den jeweiligen Nutzern nicht herstellbar. Weiterhin seien die ihr entstandenen Aufwendungen auch dann verloren, wenn sie im Hauptsacheverfahren Erfolg haben würde.

Denn einen Rechtsanspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen habe sie nach geltendem Recht nicht, weil es an einer Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch für legislatives Unrecht fehle. Schließlich könne auch nicht eingewendet werden, daß eine Aussetzung der aus § 113a TKG folgenden Verpflichtungen im vorliegenden Fall schon deswegen ausgeschlossen sei, weil sie den Vollzug von europäischem Gemeinschaftsrecht beeinträchtige. Die Verfassungswidrigkeit ihrer Inanspruchnahme beruhe nicht auf den europarechtlichen Vorgaben, sondern auf deren Umsetzung als entschädigungslose Verpflichtung durch den deutschen Gesetzgeber.

Die Antragstellerin beantragt, im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens - hilfsweise bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens erster Instanz - festzustellen, daß sie nicht verpflichtet ist, die in § 113a TKG enthaltene Verpflichtung zur Vorhaltung der technischen Anlagen zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung umzusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch. Eine Entschädigungsregelung für die sich aus § 113a TKG ergebenden Verpflichtungen sei weder verfassungsrechtlich unabdingbar noch seien die materiellen Regelungen dieser Vorschrift allein aufgrund des Fehlens einer Entschädigungsregelung verfassungswidrig. Es handele sich um eine Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG, die den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Inanspruchnahme Dritter für staatliche Aufgaben entspreche.

Die ausnahmefreien europäischen Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung ließen keinen nationalen Spielraum für Einzelfallausnahmen, aus ihnen folge zudem ein überwiegendes Interesse am Gesetzesvollzug neben dem Sicherheitsinteresse an einer lückenlosen Datenspeicherung und dem europarechtlichen Interesse an der vollständigen Umsetzung europäischer Richtlinien schon aus dem gemeinschaftsrechtlichen Grund einer chancengleichen Behandlung aller der Richtlinie unterworfenen Marktteilnehmer. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe beträfen nicht nur sie, sondern seien verallgemeinerungsfähig und könnten daher zu einer europarechtswidrigen allgemeinen Aussetzung der Speicherverpflichtung führen.

II.

Das Begehren ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und auch begründet. Bei einer einstweiligen Anordnung ist das Gericht nicht an die gestellten Anträge gebunden, sondern trifft im Rahmen des Begehrens des jeweiligen Antragstellers eine eigene Ermessensentscheidung über den Inhalt der vorläufigen Regelung, die nach Ansicht des Gerichts zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Da das Begehren der Antragstellerin darauf gerichtet ist, vorläufig von der Verpflichtung entbunden zu werden, technische Vorrichtungen zur Vorratsdatenspeicherung einzurichten und bereitzuhalten, ist das Gericht durch § 88 VwGO nicht daran gehindert, anstelle des von der Antragstellerin beantragten Feststellungsausspruchs eine vollstreckbare Unterlassungsverfügung zu erlassen.

1.

Der Antrag auf Erlaß einer Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ist zulässig. Dem steht ausnahmsweise nicht entgegen, daß es sich vorliegend - ebenso wie im Klageverfahren (VG 27 A 125.08) - um vorbeugenden Rechtsschutz handelt:

Die für die Antragstellerin bestehende gesetzliche Verpflichtung, Einrichtungen zur Vorratsspeicherung auf eigene Kosten vorzuhalten und zu betreiben (§§ 110 Abs. 1 Nr. 1, 113a TKG) kann von der Bundesnetzagentur durch entsprechende Anordnung sichergestellt und auch im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden (§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG); gegen den vollziehbaren (§ 137 Abs. 1 TKG) Verwaltungsakt kann die Antragstellerin dann auch vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO erhalten, in dessen Rahmen die Verfassungsmäßigkeit der ihr auferlegten Pflicht vom Gericht zu prüfen ist.

Nur ausnahmsweise genügt die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz durch die Suspendierung eines die normative Verpflichtung umsetzenden Verwaltungsakts zu erlangen, zur Wahrung der Effektivität des Rechtsschutzes nicht; eine solche Ausnahme liegt dann vor, wenn bereits die Verletzung der normativen Pflicht unabhängig vom Ergehen eines sie umsetzenden Verwaltungsakts staatliche Sanktionen ermöglicht.

Solche Sanktionen sind ab 1. Januar 2009 (§ 150 Abs. 12b Satz 1 TKG) in § 149 Abs. 1 Nr. 36,37 TKG vorgesehen, wonach der hier vorliegende vorsätzliche - der Antragstellerin ist ihre Verpflichtung bekannt, sie will sie jedoch nicht umsetzen - Verstoß gegen die Pflichten aus § 113a Abs. 1 TKG eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit Bußgeld in beträchtlicher Höhe (§ 149 Abs. 2 TKG) geahndet werden kann.

Im Hinblick auf diese zeitlich unmittelbar bevorstehende Bußgeldregelung gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, daß über das Begehren der Antragstellerin, vorläufig von der Verpflichtung zur Einrichtung und Bereithaltung technischer Vorrichtungen zur Ermöglichung der Vorratsdatenspeicherung entbunden zu werden, zu entscheiden ist, bevor die Antragstellerin den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfüllt. Der Antragstellerin ist es nicht zuzumuten, ihr Recht unter dem "Damoklesschwert" der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit erst durch Rechtsbehelf gegen einen die von ihr in Abrede gestellte Verpflichtung umsetzenden Verwaltungsakt zu suchen.

2.

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist darauf hinzuweisen, daß weder die Wirksamkeit der europarechtlich (Richtlinie 2006/24/EG) vorgegebenen Vorratsdatenspeicherungspflicht noch die Verfassungsmäßigkeit der Umsetzung dieser Richtlinie in § 113a TKG in nationales Recht für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung ist.

Der "wesentliche Nachteil" im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, den die Antragstellerin mit dem vorliegenden Rechtsschutzantrag abwenden will, liegt darin, daß sie gesetzlich (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG) verpflichtet ist, die Technik zur Vorratsdatenspeicherung auf eigene Kosten zu beschaffen und zu betreiben, bevor über die Verfassungsmäßigkeit dieser Kostentragungspflicht entschieden worden ist und zu befürchten ist, daß ihr diese bereits aufgewendeten Beschaffungs- und Betriebskosten nicht angemessen ersetzt werden, wenn sich die Kostentragungspflicht nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG als verfassungswidrig und nichtig herausstellen sollte.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anordnungsgrund liegt vor: Denn Schadensersatzansprüche - etwa aus § 839 BGB, Art. 34 GG - stünden der Antragstellerin in einem solchen Falle ersichtlich nicht zu, weil die Erfüllung einer -wegen Verfassungswidrigkeit in Wirklichkeit nicht bestehenden - gesetzlichen Verpflichtung keine Staatshaftung begründet. Dies hat die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2008 (S. 13) zutreffend ausgeführt und mit Zitaten aus Literatur und Rechtsprechung belegt, so daß auf diese Ausführungen verwiesen und auf eine weitere Begründung verzichtet werden kann.

Das bisher erst in einem Entwurf vorliegende, noch nicht vom Gesetzgeber verabschiedete TK-Entschädigungsgesetz sieht auch nur einen Ersatz von Aufwendungen für konkrete Anfragen, nicht aber den Ersatz von zuvor bereits erbrachten Implementierungs- und Betriebskosten vor.

3.

Die Kammer hat bereits in einem vorangegangenen Verfahren ihre Rechtsauffassung, daß die sich aus § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG für die Betreiber von Telekommunikationsanlagen ergebende Pflicht, "ab dem Zeitpunkt der Betriebsaufnahme auf eigene Kosten technische Einrichtungen zur Umsetzung gesetzlich vorgesehener Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation vorzuhalten und organisatorische Vorkehrungen für deren unverzügliche Umsetzung zu treffen" gegen das Grundrecht des Betreibers aus Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, dargelegt und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG zur Entscheidung vorgelegt (Beschluss vom 2. Juli 2008, VG 27 A 3.07). In der Begründung dieses - den hiesigen Verfahrensbeteiligten bekannten - Vorlagebeschlusses ist ausgeführt:

"(…) Die vorliegende Berufsausübungsregelung ist an Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG zu messen (…). In materieller Hinsicht sind gesetzliche Regelungen der Berufsausübung nach durch das Apothekenurteil (BVerfGE 7, 377) begründeter ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (BVerfGE 93, 362 369>; 85, 248 259> m.w.N.).

Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Regelung zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerfGE 30, 292 316 f.>; stRspr). Die angegriffenen Regelungen genügen nach Auffassung des vorlegenden Gerichts diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen zwar im Hinblick auf die den Unternehmen grundsätzlich auferlegte Handlungspflicht, nicht jedoch im Hinblick auf die damit verbundene Übertragung der Kostenlast. (cc) Jedoch fehlt es nach Auffassung des vorlegenden Gerichts an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

(1) Soweit es die den Telekommunikationsunternehmen und der Klägerin auferlegte Handlungspflicht zu Einrichten und Vorhalten von Überwachungstechnik angeht, vermag das vorlegende Gericht eine Unzumutbarkeit allerdings nicht zu erkennen.

Dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Sicherung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Schutzgüterkomplexes der öffentlichen Sicherheit steht auf der Ebene der praktischen Umsetzung der Handlungspflicht kein gleichermaßen gewichtiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit entgegen. Die Übertragung öffentlicher Aufgaben an Private ist nicht schon für sich genommen unzumutbar (BVerfGE 30, 292).

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass die Übertragung in organisatorischer Hinsicht Aufwand für die betroffenen Anbieter bedeutet; entsprechende Geräte sind zu erwerben und zu installieren und für die Datenübermittlung muss Personal vorgehalten werden. Vor dem Hintergrund des Gewichts der geschützten Güter ist in rein organisatorischer Hinsicht die Überbürdung dieser Aufgaben, die jedoch den Betriebsablauf nicht zentral beeinflussen werden, an die im Telekommunikationsbereich sachkundigen Anbieter zumutbar.

(2) Dies gilt jedoch nicht, soweit es um die Übertragung der Kostenlast für die Implementierungspflicht auf die Telekommunikationsunternehmen geht.

Nach der derzeitigen Rechtslage werden die Telekommunikationsanbieter mit den Kosten der Implementierungs- und Vorhaltepflicht belastet. § 110 Abs. 9 TKG enthält zwar in Satz 1 eine Ermächtigungsgrundlage für eine Entschädigungsregelung für die im Zusammenhang mit den jeweiligen Sicherheits- und Strafverfolgungsmaßnahmen anfallenden Kosten. Satz 2 der Norm schließt jedoch ausdrücklich die Kosten der Vorhaltung der technischen Einrichtungen, die zur Erbringung der Leistungen nach Satz 1 erforderlich sind, von dieser Entschädigungsregelung aus.

Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung überdies bisher keinen Gebrauch gemacht; de lege ferenda soll sie aufgehoben und durch das TKG-Entschädigungsgesetz ersetzt werden. Dieses zur Zeit im Entwurf vorliegende Gesetz enthält ebenfalls keine Entschädigungsregelung für die Implementierungs- und Vorhaltekosten (BT-Drs 16/ 7103 vom 13. November 2007).

Derzeit erfolgt eine Entschädigung auf der Basis des § 23 Abs. 1 Nr. 3 JVEG, auf den auch § 20 S. 1 lit. b) des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses verweist, für die Durchführung der einzelnen Maßnahme; diese ist allerdings - auch nach Auskünften der Beklagten in der mündliche Verhandlung - nicht kostendeckend bemessen (vgl. hierzu auch Kilching, a.a.O. S.27). Versteckte Zuschläge, die etwa eine Amortisierung der Anschaffungskosten ermöglichten, sind darin nicht enthalten.

Die von Telekommunikationsunternehmen aufzubringenden Kosten für die Überwachungsmaßnahmen sind beträchtlich. Anders als für die vergleichweise unaufwändige und kostengünstige Überwachung der herkömmlichen Festnetzanschlüsse (vgl. insoweit Scholz, Archiv PT, 1995, 169 171>) müssen erhebliche, von den einschlägigen Verbänden in zweistelliger Höhe bezifferte Kosten für die Entwicklung der Software für die Überwachung von Mobilfunknetzen aufgebracht werden; hinzu kommen Hardware- und Personalkosten.

Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, es kämen mindestens 180.000 Euro, wenn nicht ein Vielfaches davon, als Entwicklungskosten für Software auf sie zu; hinzu kämen Personalkosten in Höhe von 450.000 Euro jährlich. Zur Bestimmung der Größenordnung der finanziellen Belastung der Klägerin erscheinen diese Angaben jenseits von Anfragen hinsichtlich einzelner Posten ausreichend. Mit der Inpflichtnahme der Telekommunikationsanbieter für Sicherheits- und Strafverfolgungsmaßnahmen zugunsten des Schutzgüterkomplexes der öffentlichen Sicherheit werden dieser Berufsgruppe genuin hoheitliche Aufgaben übertragen, die Allgemeinbezug aufweisen (Scholz, a.a.O. S.183 m.w.N.).

Der Tatsache, dass es sich um der Allgemeinheit dienende Schutzgüter handelt, korrespondiert das verfassungsrechtlich garantierte Generalprinzip der Steuerstaatlichkeit (Scholz a.a.O. m.w.N.; Martina, Archiv PT 1994, 105 108>; Schneider, Archiv PT, 1994, 285; Braun, jurisPR-ITR 2/2008, Anm. 4). Dessen Durchbrechung zulasten einzelner oder einzelner Gruppen ist nur zulässig, sofern normative Zurechnungskriterien eine Belastung eben dieser Einzelnen oder Gruppen anstelle der Allgemeinheit und des von ihr aufgebrachten Steueraufkommens rechtfertigen.

In Rechtsprechung und Literatur sind hierzu, teils auch unter Heranziehung der Gedanken der Rechtsprechung zu Sonderabgaben zu Art. 14 GG (etwa Ehmer in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 88 Rz. 51) im Wesentlichen folgende, nicht immer ganz scharf von einander zu trennende Zurechnungskriterien entwickelt worden:

(a) Eine Kostentragungspflicht der Telekommunikationsanbieter wird teilweise mit einer historisierenden Betrachtungsweise begründet. Die berufliche Tätigkeit des Telekommunikationsanbieters sei seit jeher mit der Belastung der Verantwortung für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen verbunden gewesen (VG Köln, Urteil vom 15. Februar 2000 - 22 K 5896/96 - UA S. 15 unten); die privaten Anbieter seien an die Stelle der früheren staatlichen Monopolisten getreten, weshalb die Verpflichtung zur Bereitstellung der Überwachungstechnik jetzt sie treffe (Manssen, Archiv PT 1998, 236 242>; i. E. so auch Waechter, a.a.O. S. 94).

Verlängert wird diese Betrachtungsweise durch die sogenannte "Tropfentheorie": Wer den guten Tropfen nehme, nämlich die Erlaubnis zum Geldverdienen im Telekommunikationsbereich, der müsse auch den schlechten Tropfen, nämlich die notwendigen Kosten für staatliche Überwachungsmaßnahmen, akzeptieren (vgl. Manssen, a.a.O.).

Diese Auffassung (die im Grunde schon eine Berührung des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG durch die vorstehende Regelung ausschließt, da sie von einem Berufsbild des Telekommunikationsanbieters ausgeht, das durch die Verpflichtung zur Implementierung von Abhörtechnik gekennzeichnet ist), berücksichtigt die Ursprünge der früheren Verknüpfung der Tätigkeit des Telekommunikationsanbieters einerseits mit einer den Sicherheitsinteressen des Staates dienenden und vor allen Dingen kostenfreien Implementierungspflicht nicht hinreichend.

Die Deutsche Bundespost, die vor der europarechtlich angestoßenen, durch die Postreform I und II umgesetzten Öffnung der Telekommunikationsmärkte (vgl. zur Historie etwa Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 1 Rz. 3f.) eine Monopolstellung auf dem Fernmeldesektor innehatte, trug die Kosten der damals nur erforderlichen - und auch deutlich weniger kostenaufwändigen - Festnetzüberwachung.

Diese Kostenübernahme beruhte aber nicht auf ihrer Eigenschaft als Anbieterin von Telekommunikation, sondern vielmehr darauf, dass es sich bei ihr um eine Behörde handelte, die den berechtigten Stellen nach § 8 VwVfG zur kostenlosen Amtshilfe verpflichtet war (vgl. hierzu Scholz, a.a.O. S. 171).

Der Grund für die Annahme, die berufliche Tätigkeit des Telekommunikationsanbieters sei seit jeher mit der Belastung der Verantwortung für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen verbunden gewesen, ist, soweit es deren Kostenlosigkeit für den Staat betrifft, mit Wegfall der Behördeneigenschaft der auf dem Telekommunikationsmarkt tätigen Unternehmen entfallen (noch weitergehend Kilching a.a.O. S. 24, der von der Neueröffnung eines unbelasteten Marktes ausgeht).

Die Nachfolgeunternehmen sind freie Wettbewerber und dem Staat gegenüber als solche nicht besonders verpflichtet (Scholz, a.a.0.)

Die Freigabe des Telekommunikationsmarktes an diese stellt sich auch -anders als die "Tropfentheorie" meint - nicht als besondere Vorteilsgewährung zugunsten der Telekommunikationsunternehmer dar, sondern vielmehr als Herstellung der europarechtlich gebotenen, vom Grundgesetz vorgesehenen Freigabe der unternehmerischen Betätigung (Kilching a.a.O. S. 24, v. Hammerstein, MMR 2004, S. 226; Braun a.a.O. m.w.N. ).

(b) Ein Zurechnungsmoment liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann vor, wenn es sich bei der zu übernehmenden Pflicht um eine nicht unternehmensfremde Tätigkeit handelt und diese nicht in erheblicher Weise Betriebsmittel bindet (Kuponsteuer, BVerfGE 22, 380; Mineralölbevorratung, BVerfGE 30, 292). Bei einer auf die rein faktischen Unternehmensvorgänge abstellenden Betrachtungsweise, wie sie den genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die - die Datenübertragung an die berechtigten Stellen ermöglichende - Pflicht zur Bereitstellung von Abhörtechnik im faktischen Bereich sich an die durch Datentransport gekennzeichnete Tätigkeit der Telekommunikationsanbieter anlehnt, weswegen die Auferlegung einer entsprechenden Handlungspflicht vom vorlegenden Gericht auch für grundsätzlich verhältnismäßig gehalten wird (vgl. oben B.I.2. b. cc (1)).

Bei einer inhaltlichen Betrachtungsweise stellt sich die Bereitstellung von Abhörmöglichkeiten für vermittelte Telekommunikation als das genaue Gegenteil der dem Telekommunikationsanbieter gegenüber dem Kunden obliegenden Verpflichtung dar: Art 10 GG, § 88 TKG und der mit dem Kunden bestehende Vertrag gebieten die abhörsichere Weitergabe der Telekommunikation (v. Hammerstein, a.a.O.). Die hier dem Telekommunikationsanbieter auferlegte Verpflichtung stellt sich in inhaltlicher Hinsicht weder als mit dem unternehmerischen Handeln identisch noch als an dieses angelehnt, sondern als unternehmensfremd dar.

Jedenfalls können die mit der Bereitstellung der erforderlichen Technik einhergehenden Kosten, wie bereits zuvor dargestellt, nicht als nur in geringem Umfang Betriebsmittel bindend angesehen werden, so dass das Zurechnungskriterium aus diesem Grunde vorliegend nicht greift.

(c) Ein Zurechnungsmoment kann sich nach der Rechtsprechung weiter aus der besonderen Sach- und Verantwortungsnähe ergeben (so etwa für die Abführung von Kirchlohnsteuer BVerfGE 44, 103 und Lohnsteuer BFH BStBl.1963, III S. 468 durch den Arbeitgeber und die Verpflichtung von Tabakherstellern zur Anbringung von Warnhinweisen BVerfGE 95, 173).

Im Schrifttum wird die Sach- und Verantwortungsnähe auch aus dem polizeirechtlichen Störer- und Zweckveranlassergedanken (Scholz a.a.O. S. 183 f., Waechter, VerwArch 1996, 68 82f>) sowie - im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Luftsicherheitsgebühr (BVerwGE 95, 188) - aus dem Gedanken einer besonderen Individualbegünstigung entwickelt.

Eine derartige Sach- und Verantwortungsnähe soll für den Berufsstand der Telekommunikationsanbieter deswegen angenommen werden können, weil zwar von den Telekommunikationsnetzen selbst keine Gefährdungen ausgingen, sie jedoch in für den Unternehmer vorhersehbarerweise zur Begehung von Straftaten genutzt werden könnten.

Es verhalte sich insofern ähnlich wie im Bereich der Geldwäsche, in dem den Banken wegen der Missbrauchmöglichkeiten des Bankgeschäftes auch besondere Verpflichtungen auferlegt worden seien. Mobilfunknetze ermöglichten es, sich der "sozialen Kontrolle" zu entziehen; wer eine "Tarnkappe" in den Verkehr bringe, müsse für Zwecke der Strafverfolgung entschädigungslos eine Reidentifizierungsmöglichkeit bereitstellen (Waechter a.a.O. S. 82; 91).

Eine solche Sach- und Verantwortungsnähe vermag das vorlegende Gericht indes nicht zu erkennen. Der Dienst des Telekommunikationsanbieters ist neutral. Er stellt lediglich die Netze zur Verfügung, die zur Übermittlung von Kommunikation erforderlich sind. Verantwortlich für den Inhalt der Kommunikation sind die Nutzer.

Die Anknüpfung der Zurechnung an die Zurverfügungstellung einer neutralen Leistung würde, wollte man sie als Zurechnungskriterium gelten lassen, den Kreis der danach Verantwortlichen unüberschaubar weit ziehen; denn vergleichbare Missbrauchsmöglichkeiten wohnen einer Vielzahl von Produkten oder Leistungen der Industriegesellschaft inne, beispielhaft seien Waffen und Automobile genannt (vgl hierzu auch Braun, a.a.O; Bock in: Beck'scher TKG-Kommentar, 3 § 110 Rz. 19; Koenig/Koch/Braun, K&R, 2002, 289 295>).

Im bloßen Zurverfügungstellen liegt daher kein normatives Element, das die Heranziehung des Telekommunikationsanbieters rechtfertigen könnte (vgl. hierzu v. Hammerstein, a.a.O.). Insofern ist der Betreiber des Telekommunikationsnetzes auch weder Störer - denn der Missbrauch des Netzes erfolgt durch die für den Inhalt der Kommunikation verantwortlichen Nutzer - noch Zweckveranlasser; denn dieser Rechtsgedanke lässt sich nicht auf einen beliebig großen Kreis von Unternehmen erweitern (vgl. Scholz, a.a.O. S. 185).

Das Zurverfügungstellen des Netzes fordert auch für sich genommen keinen Missbrauch heraus (so auch Braun, a.a.O.). Das "Tarnkappenargument" führt schon insofern in die Irre, als es den Eindruck erweckt, die Gefährlichkeit und damit Überwachungsbedürftigkeit von Telekommunikation ergebe sich aus der durch die Telekommunikationsanbieter ermöglichten Nichtidentifizierbarkeit von Rufnummern.

Die Telekommunikationsüberwachung knüpft jedoch vielmehr am vermuteten straf- oder sicherheitsrechtlich relevanten, nutzerverantworteten Inhalt von Telekommunikation an. Es stellt zudem "die Funktion der Grundrechte auf den Kopf" (v. Hammerstein, a.a.O., 222 225>), denn Art. 10 GG und seine einfachgesetzliche Umsetzung in § 88 TKG gewährleisten den anonymen, abhörfreien Telefonverkehr. Der Rechtfertigung bedarf nicht derjenige, der in Umsetzung des grundgesetzlichen Auftrages diesen ermöglicht (v. Hammerstein, a.a.O.).

Eine Parallele zu den den Banken zur Verhinderung von Geldwäschegeschäften auferlegten Pflichten (hierzu Waechter, a.a.O. S. 88) liegt gleichfalls nicht vor; denn im Unterschied zur Geldwäsche ist die erbrachte Leistung des Telekommunikationsanbieters tatsächlich neutral; bei den Bankgeschäften ist es das Geschäft selbst, nicht die reine Transferleistung der Bank, die Unrechtsgehalt besitzt (Kilching, a.a.O. S. 22).

Eine Begünstigung der Gruppe der Telekommunikationsanbieter, die der der Fluggäste in der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Konstellation entspräche (hierzu Scholz, a.a.0.; Braun a.a.O.), ist schließlich gleichfalls nicht ersichtlich.

Teilweise wird die Kostentragungspflicht der Telekommunikationsunternehmer auch deswegen für zumutbar gehalten, weil die gesetzliche Regelung nicht ausschließe, dass die Kosten auf den Kunden abgewälzt werden könnten (BVerfGE 30, 292).

Jedoch handelt es sich insoweit lediglich um einen Kontrollüberlegung; tragender Grund der Entscheidung war das mit der unternehmerischen Tätigkeit verknüpfte Gut der Versorgungssicherheit (vgl. hierzu oben). Die Überlegung stellt kein alleiniges Zurechnungskriterium im Sinne der unter (a) bis (c) benannten dar, sondern gibt lediglich Aufschluss darüber, dass umgekehrt die Indienstnahme wegen eines die Kostenüberwälzung verhindernden Hinweises unzumutbar werden könnte (v. Hammerstein, a.a.O., S. 226; weitergehend zur Wettbewerbsverzerrung Kilching, a.a.O., S. 25). (…)"

Hieran hält die Kammer auch im vorliegenden Fall fest. Denn nach dem - unwidersprochenen - Vortrag der Antragstellerin sind auch vorliegend die Implementierungs- und Betriebskosten für die Technik zur Vorratsdatenspeicherung mit 720.000 Euro bzw. 420.000 Euro jährlich nicht so unbedeutend, daß eine Bindung erheblicher Betriebsmittel im Sinne von BVerfGE 22, 380 von vornherein ausscheidet.

Daß diese Kosten für die Vorratsdatenspeicherung - nach Erwartung des Bundesgesetzgebers (vgl. zur Regierungsvorlage BT-Dr. 16/5846, S. 5) - von den betroffenen Telekommunikationsunternehmen bei ihrer Preisgestaltung einkalkuliert und an die Kunden weitergegeben werden, was zu einer "geringfügigen" Steigerung des Verbraucherpreisniveaus im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen führen könne, ersetzt nicht das für die Auferlegung genuin staatlicher Pflichten auf Private notwendige Zurechnungskriterium und ist daher zur Begründung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Kostenregelung in Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG untauglich.

4.

Angesichts der bestehenden und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorliegenden (der Vorlagebeschluß der Kammer wird unter BVerfG 1 BvL 7/08 geführt) Zweifel des Gerichts an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 TKG ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der die der Antragstellerin entstehenden Nachteile, die ihr entstehen, wenn sie die Überwachungstechnik auf ihre Kosten einrichten und bereithalten muß, mit den Nachteilen abzuwägen sind, die im Hinblick auf den Zweck der Vorratsdatenspeicherung entstehen, wenn die Antragstellerin diese Überwachungstechnik nicht einrichtet.

Maßgeblich in den Abwägungsvorgang einzustellen ist daher zunächst , daß die Antragstellerin - wie bereits eingangs (oben zu 2.) ausgeführt - auch dann keinen Ersatzanspruch hinsichtlich der für die Vorratsdatenspeicherung bereits erbrachten Implementierungs- und Betriebskosten hätte, wenn - entsprechend der Rechtsauffassung der Kammer - die Kostenregelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 TKG vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt würde.

Ihr würde damit ein irreparabler Vermögensschaden entstehen, der es allein gerechtfertigt erscheinen läßt, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Anschaffung und zum Betrieb der Technik zur Vorratsdatenspeicherung freizustellen. Bereits deshalb kommt es für die Interessenabwägung nicht darauf an, ob es sich bei den von der Antragstellerin geltend gemachten Anschaffungs- und Betriebskosten bezogen auf die Größe ihres Unternehmens um einen erheblichen Kostenaufwand handelt oder nicht.

Demgegenüber hätte eine gerichtliche vorläufige Unterlassungsentscheidung die Folge, daß jedenfalls für den Kundenkreis der Antragstellerin die Vorratsdatenspeicherung vorläufig nicht erfolgt, obwohl die in § 113a TKG enthaltene gesetzliche Verpflichtung zwingendes Gemeinschaftsrecht - nämlich die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates - umsetzt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß zur Vorratsdatenspeicherung (vom 11. März 2008, 1 BvR 256/08, - juris -) ausgeführt, daß die Aussetzung des Vollzugs einer europäisches Gemeinschaftsrecht umsetzenden gesetzlichen Vorschrift nur in ganz besonderen Ausnahmefällen möglich ist (RdNr. 144 - juris -) und der Vollzug der von der Richtlinie geforderten Datenspeicherung allein keine besonders schweren und irreparablen Nachteile, die einen solchen Ausnahmefall begründen könnten, mit sich bringt (RdNr. 147,148 - juris -).

Der von der Antragsgegnerin hervorgehobene Gedanke, daß durch eine vorläufige Aussetzung der der Antragstellerin durch § 113a TKG begründeten Pflichten das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts schwerwiegend beeinträchtigt sein könnte, ist für die Folgenabwägung jedoch nicht durchschlagend. Vielmehr ist zwischen der - gemeinschaftsrechtlich begründeten -Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung bei den Telekommunikationsunternehmen und der Frage, wer die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen hat, zu differenzieren.

Denn die Richtlinie 2006/24/EG schreibt den Mitgliedstaaten nicht vor, wer die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb der für die Vorratsdatenspeicherung erforderlichen Technik zu tragen hat. Vielmehr ist die Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG, daß sämtliche - auch die durch das Gesetz vom 21. Dezember 2007 erforderlich gewordene - Telekommunikationsüberwachungstechnik einseitig durch die Telekommunikationsunternehmen zu tragen ist, eine Entscheidung allein des deutschen Gesetzgebers; die zuvor gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung erhobenen Zweifel (oben 3.) messen sich daher allein am deutschen Verfassungsrecht und sind unabhängig von den Vorgaben europäischen Rechts.

Damit hat es die Antragsgegnerin allein in der Hand, die Vorgaben der Richtlinie zur umfassenden Vorratsdatenspeicherung auch dann umzusetzen, wenn sich die nationale Kostentragungsregelung in § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG als verfassungswidrig herausstellen sollte. Dieser Gedanke ist auch für die hier zu treffende Folgenabwägung entscheidend:

Die Antragsgegnerin ist durch keine normative Regelung gehindert, für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht die Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 TKG für nichtig erklären und die Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen zur Vorhaltung und Bereitstellung von Telekommunikationsüberwachungstechnik von einer vollständigen oder angemessenen staatlichen Finanzierung abhängig machen sollte, der Antragstellerin den Ersatz auch der bereits erbrachten Implementierungs- und Betriebskosten in dem dann vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Umfang rechtlich bindend anzubieten.

Bei einem solchen Angebot würde der von der Antragstellerin geltend gemachte Anordnungsgrund des "irreversiblen Vermögensschadens" entfallen; einer Verpflichtung zur umgehenden Umsetzung der gesetzlichen Pflichten aus § 113a TKG wäre von Seiten der Antragstellerin - auch angesichts des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 - nichts entgegenzusetzen.

Im Ergebnis muß daher die Folgenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen. Denn das Interesse der Antragstellerin, von irreversiblen Vermögensschäden bewahrt zu werden, falls sich die Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 TKG als verfassungswidrig erweisen sollte, ist in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG begründet.

Demgegenüber ist der effektive Vollzug der durch europäisches Recht angeordneten Vorratsdatenspeicherung auch dann nicht notwendigerweise beeinträchtigt, wenn das Gericht gegenüber der Antragstellerin deren Verpflichtung zur Implementierung und zum Betrieb technischer Einrichtungen zur Vorratsdatenspeicherung vorläufig aussetzt, weil die Antragsgegnerin jederzeit durch Abgabe einer das von der Antragstellerin geltend gemachte Vermögensinteresse sichernden Erklärung - die im Abänderungsverfahren, das bei jeder gerichtlichen Entscheidung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein muß (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 35 zu § 123), zu einer Aufhebung der hier getroffenen Entscheidung führen würde - die Verpflichtung aus § 113a TKG auch gegenüber der Antragstellerin erreichen kann.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin ist mit dem gerichtlichen Ausspruch nicht teilweise unterlegen. Vielmehr beruht die im Tenor angeordnete Dauer der Untersagungsverfügung auf der Überlegung, daß dem Bundesverfassungsgericht von der Kammer die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG bereits vorgelegt worden ist und das Hauptsacheverfahren (VG 27 A 125.08) gemäß § 94 VwGO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen sein wird, so daß eine Hauptsachenentscheidung in jedem Falle erst danach ergehen wird.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GKG und beruht auf den Angaben der Antragstellerin zur voraussichtlichen Höhe der Implementierungs- und Betriebskosten, die die Antragstellerin ohne die gerichtliche Anordnung sofort zu erbringen hätte; diese sind im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes mit der Hälfte anzusetzen (Streitwertkatalog 2004 Nr. 1.5).