Haftung eines Sub-Domain-Anbieters für Spam
Leitsatz
Wer Dritten die Möglichkeit anbietet, Sub-Domains einzurichten, ist verpflichtet, die Identität der Dritten zu ermitteln und diesen durch eine Vertragsstrafe-Regelung zu untersagen, unerlaubte Spam-Mails zu versenden. Tut er dies nicht, verletzt er seine Verkehrsicherungspflicht und haftet als Mitstörer.
Tenor
In dem Rechtsstreit (…) hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 21.03.2006 durch (…) für Recht erkannt:
1. Die einstweilige Verfügung vom 21.9.2004 wird bestätigt.
2. Der Antragsgegner hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Sachverhalt
Der Antragsgegner tritt unter der Firma (…) auf. Er betreibt die Internet- Domain "http://wwww.(...).de" und bietet die Möglichkeit an, dort auf sog. Subdomains eigene Inhalte anzuzeigen (sog. Webspace). Im Gegenzug platziert der Antragsgegner Werbebanner auf diesen Seiten und verdient, sobald Internetnutzer auf eines dieser Banner klicken.
Am 22.8.2004 erhielt der Antragssteller von der Adresse "(…)" eine E-Mail, in der für die Teilnahme an einem Konzept der fiktiven
"(…) AG" geworben wurde, welches den Interessenten bei bis zu 500 Gewinnspiele gleichzeitig anmeldet. Die in der Mail angegebenen Internetadressen der (…) AG war verlinkt mit der Subdomain "http://(...).de" des Antragsgegners.
Mit dieser Werbung hatte sich der Antragssteller weder zuvor einverstanden erklärt noch entsprechende Werbung angefordert; weder die Parteien noch die (…) AG und die weiter in der Mail erwähnte (…) AG hatten zuvor in Kontakt gestanden.
Nach Aufforderung des Antragsstellers teilte der Antragsgegner mit E-Mail vom 24.8.2004 die Daten des Nutzers der Subdomain wie folgt mit: (…). Weder die Straße noch eine solche Person sind in den amtlichen Registern in Düsseldorf verzeichnet.
Auf den am 10.9.2004 eingegangen Eilantrag hat die Kammer es dem Antragsgegner durch Beschluss vom 21.9.2004 bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel, untersagt, mit dem Antragssteller per E-Mail von der genannten Adresse aus Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen Einverständnis vorliegt oder zu vermuten ist.
Gegen diese einstweilige Verfügung hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt.
Der Antragssteiler behauptet dass die Beschlussverfügung dem Antragsgegner am 30.9.2004 zugestellt worden sei.
Er beantragt, die einstweilige Verfügung vom 21.9.2004 bestätigen.
Der Antragsgegner beantragt, die einstweilige Verfügung vom 21.9,2004 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückweisen.
Der Antragsgegner behauptet dass die einstweilige Verfügung ihm nicht zugestellt worden sei; er sei seit 2002 in Freiburg i. Brsg. und nicht mehr in Berlin gemeldet.
Ferner ist er der Ansicht dass er gem. §§ 8 ff TDG als Diensteanbieter nicht zur Überwachung seiner Nutzer verpflichtet und deshalb auch kein Mitstörer sei.
Außerdem habe er zunächst durch die Identifizierung des Nutzers und auf die Abmahnung des Antragsstellers durch Sperrung des Nutzers sowie Untersagung der Domain alles Erforderliche getan und auch die ihm bekannten Daten des Nutzers weitergegeben.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, da sie zu Recht ergangen ist.
Die einstweilige Verfügung ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil es an der Vollziehung innerhalb der Monatsfrist der §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO fehlt. Laut Zustellungsurkunde ist die Beschlussverfügung dem Antragsgegner am 30.9.2004 unter seiner Adresse in (…) durch Einwurf in einen zur Wohnung gehörigen Briefkasten gem. §§ 180, 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugestellt worden.
Unerheblich ist, dass der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt in Berlin nicht mehr gemeldet gewesen sein will, da die Zustellung nach der Urkunde eben in Brandenburg erfolgt ist.
Aber auch wenn der Antragsgegner geltend machen wollte, nicht in (…) gemeldet gewesen zu sein, so ändert dies nichts, da er sich an den für Dritte gesetzten Schein seines Namens am Briefkasten und der Angabe im Impressum seiner Internetseiten (Anl. ASt 1, Bl. 9 dA) festhalten lassen muss (vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2005, § 176 Rnr 7 mwN).
Darauf, dass er in (…) nicht mehr ordnungsrechtlich gemeldet war, käme es ohnehin nicht an (vgl. nur Stöber, aaO, § 178 Rnr 3 mwN).
Der gem. § 940 ZPO zulässige Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb).
1.
Die Zusendung unerbetener E-Mail-Werbung löst nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Wettbewerbskammern, die auch das Kammergericht bestätigt hat (KG NJW-RR 2005, 51), nach den vorstehend genannten Vorschriften einen Unterlassungsanspruch aus.
2.
Der Antragsgegner haftet als Mitstörer.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige als (Mit-) Störer verantwortlich, der auch ohne Verschulden am Rechtsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, dass er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt.
Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.
Ferner wird vorausgesetzt, dass der in Anspruch Genommene Prüfungspflichten verletzt hatte (zu allem Vorstehenden etwa BGH GRUR 2004, 860 - Internet- Versteigerung; GRUR 2003, 969, 970 - Ausschreibung von Vermessungsleistungen).
Eine solche Prüfungspflicht, die die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr auslösen würde, traf den Antragsgegner nach Auffassung der Kammer im Streitfall aber zunächst nicht. Denn ihm würden sonst Tätigkeiten in einem so großen Umfang aufgebürdet, dass letztlich solche Dienstleistungen im Internet unmöglich gemacht werden dürften.
b) Es besteht nach der Abmahnung, spätestens mit Einleitung des hiesigen Verfahrens, aber eine Erstbegehungsgefahr dahingehend, dass der Antragsgegner auch bei weiteren derartigen Rechtsverstößen nicht zur Abstellung beitragen kann oder wird.
Erstbegehungsgefahr besteht nämlich auch dann, wenn jemand am Wettbewerbsverstoß nicht mitgewirkt hat, jedoch nach Kenntniserlangung aufgrund besonderer Umstände zur Unterbindung oder Unterlassung verpflichtet ist und die Gefahr besteht, dass er dieser Pflicht nicht nachkommt (BGH GRUR 1966, 248, 251 - Sporthosen; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. 2002, Kap 10 Rnr 15 aE).
Solch eine Pflicht besteht im Streitfall, da der Internet- Dienstleister immer dann, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren (§ 11 S. 1 Nr. 1 TDG), sondern vielmehr auch Vorsorge treffen muss, dass es möglichst nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt (BGH GRUR 2004, 360 - Internet-Versteigerung).
Erforderlich erscheint der Kammer insoweit zumindest, dass der Antragsgegner eine ordnungsgemäße Verifikation der Kundendaten durchführt (vgl. BGH WRP 2004, 731, 734 - E-Mail-Werbung) und ein auf die Unterlassung derartiger Rechtsverstöße gerichtetes vertragsstrafenbewehrtes Versprechen seiner Kunden einholt.
Dazu hat der Antragsgegner aber nichts vorgetragen, sondern lediglich auf die Sperrung des Nutzers, der Anstoß zum hiesigen Verfahren gegeben hatte, und die Bekanntgabe der diesbezüglichen - aber unstreitig eben unrichtigen - Daten an den Antragssteiler verwiesen.
Selbst wenn also von dem Versender der hier gegenständlichen E-Mail wegen der Maßnahmen des Antragsgegners keine weiteren rechtswidrigen E-Mails mehr zu erwarten wären, muss sich der Antragssteller wegen der mangelnden Kooperation des Antragsgegners auf weitere, von Subdomains des Antragsgegners ausgehende, Rechtsverletzungen durch andere Nutzer gefasst machen. Das hat er aber nicht
hinzunehmen.
c) Der Antragsgegner kann sich nach Einleitung des hiesigen Verfahrens auch nicht auf § 8 Abs. 2 TDG berufen. Denn dieses Haftungsprivileg gilt nur für Schadensersatzansprüche und die strafrechtliche Verantwortlichkeit, nicht aber für den hier streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch (BGH GRUR 2004, 860 - Internet-Versteigerung).
d) Ohnehin bestimmt § 11 S. 1 Nr. 1 TDG, dass Diensteanbieter nur dann nicht für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, verantwortlich sind, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung haben. Diese Kenntnis hat der Antragsgegner aber spätestens durch die Einleitung des hiesigen Verfahrens erlangt.
e) Der Umstand, dass der Versender der hier gegenständlichen E-Mail sich den Zugang zum Internet über den Antragsgegner offenbar durch falsche Angaben erschlichen hatte, ändert am Ergebnis nichts.
f) Das Risiko eines solchen Verhaltens muss nicht der Antragssteller als Dritter, sondern der Antragsgegner tragen, der durch die von ihm angebotene gewerbliche Dienstleistung erst die Möglichkeit derartiger Rechtsverletzungen schafft und deshalb für ihre Abstellung bzw. Verhinderung mitzuwirken hat.
Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 91 Abs. 1 ZPO.