LG Stuttgart: Kein Anspruch aus Gerichtsurteil mehr, wenn Wettbewerbsverhältnis nachträglich wegfällt

Der Anspruch aus einem rechtskräftigen Gerichtsurteil entfällt, wenn nachträglich das Wettbewerbsverhältnis bzw. die erforderliche Aktivlegitimation entfällt (LG Stuttgart, Urt. v. 28.06.2022 - Az.: 17 O 49/22).

Die Parteien des Rechtsstreits waren beide im Bestattungswesen tätig. Der Beklagten war in der Vergangenheit bestimmte Wettbewerbshandlungen gerichtlich untersagt worden. Das Urteil war rechtskräftig.

Zum 01.12.2021 trat im Wettbewerbsrecht eine gesetzliche Neuerung in Kraft, wonach Unterlassungsansprüche nur noch von Mitbewerbern geltend gemacht werden können, wenn sie Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben.

Die Klägerin machte nun geltend, dass der Beklagten keine Ansprüche mehr aus dieser Entscheidung zustünden, da sie seit mehr als 4 Jahren nicht mehr in diesem Bereich wesentlich tätig sei.

Die Beklagte vertrat den Standpunkt, dass für eine Vollstreckung aus dem Urteil dies keine Voraussetzung mehr sei.

Das LG Stuttgart hob den Anspruch aus dem Gerichtsurteil auf. 

Aufgrund der Gesetzesnovellierung stünde der Beklagten der ursprünglich zutreffende Anspruch heute nicht mehr zu:

"Der Klägerin stehen die im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend gemachten Unterlassungsansprüche wegen wettbewerbswidrigem Verhalten der Klägerin nicht mehr zu, da sie keine qualifizierte Mitbewerberin, die die streitgegenständlichen Waren in Form von Grabmalen nicht nur gelegentlich vertreibt oder absetzt, ist. (...)

Diesen Wegfall der Aktivlegitimation kann die Klägerin der Beklagten entgegen halten.

Nachträgliche Gesetzesänderungen sind als materiell-rechtliche Einwendung im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage dann zu berücksichtigen, wenn Gegenstand des titulierten Anspruchs künftige Leistungen oder Verhaltenspflichten sind (...). Dies ist vorliegend hinsichtlich des Unterlassungstitels, der auch in die Zukunft wirkt, der Fall."

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass das betreffende Verhalten auch noch heute objektiv verboten war:

"Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Klägerin als Schuldnerin das untersagte Verhalten weiterhin verboten ist (...). Für eine solche teleologische Einschränkung ist kein Raum."

Hiergegen spricht insbesondere, dass bereits vor der Gesetzesänderung aus einem unlauteren Verhalten im Wettbewerbs gerade kein Unterlassungsanspruch für jedermann erfolgte, sondern nur für solche, die an der Unterlassung als Mitbewerber ein besonderes Eigeninteresse haben.

Daraus ergibt sich eine klare Wertung, dass ein wettbewerbswidriger Zustand hinzunehmen ist, soweit die Mitbewerber, denen ein entsprechender Unterlassungsanspruch zusteht, nicht dagegen vorgehen. Nichts anderes drückt der Gesetzgeber aus, wenn er in der Gesetzesbegründung anführt: „Es liegt ein nicht hinnehmbarer Missstand vor, wenn Abmahnungen primär zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen werden“ (...).

Die nunmehr im Rahmen der Gesetzesänderung vorgenommene Neubewertung, dass für einen Unterlassungsanspruch sogar ein qualifiziertes Eigeninteresse als Mitbewerber vorliegen muss, würde dadurch, dass im Rahmen von bereits bestehenden Unterlassungstiteln allein das Verhalten des Unterlassungsschuldners maßgeblich sein soll, unterlaufen werden. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, warum für das Fortbestehen einer pönalisierten Unterlassungspflicht allein das Verhalten des Schuldners maßgeblich sein soll."