Computerbetrug durch Ping-Anrufe

Oberlandesgericht Muenchen

Beschluss v. 27.06.2007 - Az.: 2 Ws 494/06 Kl

Leitsatz

Es stellt einen strafbaren Computerbetrug nach § 263 a StGB dar, wenn der Inhaber eines Telefonkarten-Handy eine zu seinen Gunsten eingerichtete kostenpflichtige Telefonnummer anwählt und nur so kurze Zeit die Verbindung aufrecht erhält, dass zwar entsprechende Vergütungen für die Telefonnummer anfallen, auf dem Telefonkarten-Handy aber keine Abbuchungen erfolgen.

Tenor

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 27. Juni 2007 in den Ermittlungsverfahren gegen (…),(…),(…) und (…) wegen versuchten Betrugs u.a., hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 StPO, beschlossen:

Die Staatsanwaltschaft München I wird angewiesen, die Ermittlungen gegen die Beschuldigten (…),(…),(…) und (…) - 310 Js 43896-43899/05 - wieder aufzunehmen und bis zur Entscheidungsreife durchzuführen.

Sachverhalt

vgl. Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

I.

Als Rechtsnachfolgerin ihrer früheren Tochtergesellschaft (…) hat die (…) (künftig: (…)) mit im Kern gleichlautenden Schreiben vom 26.07.2005 bei der Staatsanwaltschaft München I gegen die 4 Beschuldigten jeweils Strafanzeige wegen Verdachts des versuchten Betrugs, versuchten Computerbetrugs und aller weiteren in Betracht kommenden Delikte erstattet. Sie legt darin aufgrund der von ihr durchgeführten technischen Vorprüfung durch Auswertung der Verbindungsdaten den Beschuldigten jeweils folgendes Geschehen zur Last:

Die Beschuldigten stellten aufgrund einer Vereinbarung mit der (…) in dem von ihnen betriebenen Geschäftslokalen jeweils Mietkartentelefone auf, deren Gebührenaufkommen, das sich aus dem vereinbarten erhöhten Preis je gesprächszeitabhängiger Tarifeinheit von 40 bzw. 45 Cent sowie einem gesprächsdauerunabhängigen nochmals deutlich erhöhten fixen Sonderentgelt ergibt und jeweils vom Nutzer durch Abbuchung von dessen Telefonkarte zu bezahlen ist, monatlich wie folgt abgerechnet werden sollte:

Die (…) erhält einen festen Mietpreis für das Endgerät, eine Dienstleistungsprovision von 3,6 Cent pro Gesprächseinheit sowie den üblichen Festnetztarifpreis je Gesprächseinheit Der nach Abzug dieser Beträge verbleibende Rest des Gebührenaufkommens sollte an den jeweiligen Beschuldigten ausbezahlt werden. In der Regel ergab sich hieraus ein Aufteilungsverhältnis von 20 % zugunsten der (...) und 80 % zugunsten der jeweiligen Beschuldigten.

Die Datenerfassung und Abrechnung erfolgte programmgesteuert. Unmittelbar mit Herstellung der angewählten Verbindung begann jeweils automatisch die Erfassung der zeitabhängigen Gesprächseinheiten bzw. wurde bei Anwahl bestimmter Sondernummern im Wege der so genannten Blocktarifierung die Fälligkeit des zeitunabhängigen Sonderentgelts von bis zu 16,20 Euro je Verbindungsherstellung erfasst und als Gebührenumsatz für die Abrechnung gutgeschrieben.

Im Gegensatz zur Erfassung und Gutschrift des Gebührenaufkommens, das sofort mit Herstellung der angewählten Verbindung einsetzte, war die Abbuchung des fälligen Verbindungsentgelts von der Telefonkarte des Nutzers bewusst so programmiert, dass sie erst um ca. 1 Sekunde zeitversetzt nach Herstellung der angewählten Verbindung einsetzt, um den Kunden vor einer Abbuchung trotz lediglich angewählter, tatsächlich aber noch nicht zustande gekommener Verbindung zu schützen.

Diesen Unterschied zwischen sofortiger Erfassung der Umsätze und zeitversetzter Abbuchung der Verbindungsentgelte machten sich die Beschuldigten jeweils zunutze und wählten unter Einsatz gültiger Telefonkarten meist abends und nachts außerhalb der Geschäftszeiten massenhaft vor allem Sondernummern an, brachen die Verbindung jedoch jeweils sofort nach deren Herstellung durch Herausziehen der Karte ab, so dass zwar das jeweilige Gebührenaufkommen gutgeschrieben, von der Telefonkarte aber noch nicht abgebucht wurde.

Insgesamt erlangten die Beschuldigten hierdurch allein zwischen 28.10. und 06.12.2004 und allein unter Berücksichtigung der fixen Sonderentgelte ohne eigene Bezahlung Gutschriften in Höhe von 3.088,80 Euro ((…)) bis 51.839,88 Euro ((…)). Zur Auszahlung kam es jedoch nicht, da die (…) aufgrund der auffallend hohen Beträge eigene Ermittlungen anstellte und dann Strafanzeige erstattete.

Mit im Kern gleichlautender Begründung hat die Staatsanwaltschaft jeweils mit Verfügung vom 16.11.2005 die Einleitung eines Ermittlungsverfahren gem. § 152 Abs. 2 StPO abgelehnt, weil der angezeigte Sachverhalt nicht strafbar sei. Insbesondere liege der Tatbestand des versuchten Computerbetrugs gem. § 263 a StGB nicht vor, da die Beschuldigten nicht unbefugt Daten verwendet hätten. Auch eine Leistungserschleichung nach § 265 a StGB liege nicht vor, da die Beschuldigten keine Sicherungseinrichtung manipulativ umgangen hatten.

Das Verhalten der Beschuldigten stelle lediglich ein Ausnutzen einer technischen Unzulänglichkeit dar. Den hiergegen seitens der (…) rechtzeitig eingelegten Beschwerden vom 07.12.2005 gab der Generalstaatsanwalt jeweils mit Bescheiden vom 07.04.2006, in denen er der Argumentation der Staatsanwaltschaft beitrat, keine Folge. Gegen diese Bescheide, die ihrem anwaltlichem Vertreter jeweils am 12.04.2006 zugegangen waren, beantragte die (…) mit Anwaltsschriftsätzen vom 12.05.2006, die jeweils noch am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen sind, gerichtliche Entscheidung nach §172 StPO.

Mit Schreiben vom 17.10.2006 bat der Senatsvorsitzende die Staatsanwaltschaft unter detaillierter Darlegung, warum nach vorläufiger Bewertung sehr wohl von einem strafbaren Verhalten, insbesondere einem Computerbetrug nach der 4. Alternative des § 263 a Abs. 1 StGB auszugehen sei, um nochmalige Überprüfung ihrer Rechtsauffassung. Mit Schreiben vom 07.03.2007 hielt die Staatsanwaltschaft an ihrer Rechtsauffassung fest und lehnte die Einleitung von Ermittlungen weiterhin ab. Dem schloss sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Schreiben vom 23.04.2007 an.

II.

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung (Klageerzwingungsanträge) sind jeweils am 12.05.2006 und somit noch innerhalb der einmonatigen Frist nach § 172 Abs. 2 StPO nach Zugang der Beschwerdebescheide vom 07.04.2006, die angabegemäß am 12.04.2006 erfolgt war, beim Oberlandesgericht eingegangen. Sie entsprechen auch inhaltlich den Anforderungen des Gesetzes nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, insbesondere enthalten sie eine in sich geschlossene Darstellung des tatsächlichen Geschehens, aus dem sich das den Beschuldigten angelastete strafbare Verhalten ergeben soll, und setzen sich eingehend mit der Argumentation der Staatsanwaltschaft und des Generalstaatsanwalts in ihren Bescheiden auseinander.

Da die Antragstellerin bei unterstellter Richtigkeit des angezeigten Sachverhalts durch das Tatgeschehen in ihrem Vermögen geschädigt wäre, ist sie zugleich auch Verletzte im Sinne des § 172 Abs. 1 StPO, so dass die Anträge insgesamt zulässig sind.

Die Anträge sind auch in der Sache begründet, da der angezeigte Sachverhalt - seine Richtigkeit und Nachweisbarkeit unterstellt - jedenfalls wegen versuchten Computerbetrugs in der Form der vierten Tatalternative des § 263 a Abs. 1 StGB strafbar ist. Dies führt ausnahmsweise zur Anweisung an die Staatsanwaltschaft, die erforderlichen Ermittlungen aufzunehmen und bis zur Entscheidungsreife fortzuführen. Denn bislang haben noch keinerlei Ermittlungen stattgefunden, weil die Staatsanwaltschaft dies aus Rechtsgründen abgelehnt hat, weshalb aber derzeit eine Anordnung zur Anklageerhebung nach § 175 StPO ausscheiden muss.

Zwar ist das gerichtliche Verfahren nach §§ 172 ff. StPO grundsätzlich nur auf das Ziel der Klageerzwingung ausgerichtet. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der §§ 171, 172, 173 Abs. 3 und 175 StPO. Dennoch ist in Fällen, in denen - wie hier - die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht aus rechtlichen Gründen verneint und deshalb den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht überhaupt nicht aufgeklärt hat, ausnahmsweise das gerichtliche Verfahren nach §§ 172 ff. StPO nicht als Klage, sondern als Ermittlungserzwingungsverfahren zu behandeln, das gegebenenfalls auch mit der Anweisung an die Staatsanwaltschaft enden kann, die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Dies entspricht mittlerweile nicht nur einer weitverbreiteten Auffassung in der Literatur (Rieß NStZ 1986. 437; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Rd.Nr. 16 ff. zu § 175 mit weiteren Nachweisen), sondern wird auch von einer Reibe von Oberlandesgerichten geteilt (OLG Braunschweig, wistra 1993, 31-34; OLG Koblenz, NStZ 1995, 50; OLG Zweibrücken NZV 2001, 387; OLG Hamm, StV 2002, 128; OLG Köln, NStZ 2003, 682). Der Wortlaut der §§ 173-175 StPO steht dem nur scheinbar entgegen.

Denn diese Vorschriften blieben unverändert, als 1974 mit dem ersten StVRG die gerichtliche Voruntersuchung abgeschafft wurde. Hierdurch entstand eine nachträgliche Gesetzeslücke, ohne dass die Kontrollfunktion des Klageerzwingungsverfahrens hinsichtlich der Einhaltung des Legalitätsprinzips durch die Staatsanwaltschaft und die Rolle des Oberlandesgerichts hierbei verändert werden sollte. Bis dahin hatte die Möglichkeit bestanden, die öffentliche Klage nicht nur durch Einreichung einer Anklageschrift, sondern auch durch einen Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung zu erheben.

Dem Oberlandesgericht stand es damit offen, die in § 175 StPO vorgesehene Erhebung der öffentlichen Klage in der Form eines Antrags auf gerichtliche Voruntersuchung umzusetzen (vergl. hierzu grundlegend Rieß NStZ 1986, 433, 437/438). Diese Möglichkeit ist jedoch durch die Abschaffung der gerichtlichen Voruntersuchung entfallen. Die somit entstandene Gesetzeslücke verlangt nach einer Ausfüllung für diejenigen Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft aus Rechtsgründen einen Anfangsverdacht verneint hat.

Da die dem Oberlandesgericht im gerichtlichen Verfahren nach §§ 172 ff, StPO grundsätzlich zugewiesene bloße Kontrollfunktion, ob die Staatsanwaltschaft als verantwortliche Ermittlungsbehörde entsprechend dem Legalitätsprinzip verfahren ist, durch die Abschaffung der gerichtlichen Voruntersuchung ersichtlich nicht geändert, sondern im Gegenteil die unterschiedliche Aufgabenverteilung noch stärker betont werden sollte (vgl. OLG Hamm StV 2002, 128, 129; OLG Braunschweig, wistra 1993, 31, 34), kann das Oberlandesgericht seiner Kontrollfunktion nur dadurch gerecht werden, dass es die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise anweisen kann, die gebotenen - grundlegenden - Ermittlungen durchzuführen und danach erneut über Einstellung oder Anklageerhebung zu entscheiden (OLG Hamm a.a.O.). Dem schließt sich der Senat im vorliegenden Fall an, weil hier noch keinerlei Ermittlungen stattgefunden haben.

In der Sache erweist sich der Antrag der (…) in dem beschriebenen Sinn als begründet, weil der angezeigte Sachverhalt - seine Richtigkeit und Nachweisbarkeit unterstellt - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nach dem derzeitigen Verfahrensstand sich als strafbare Handlung darstellt, deren Aufklärung nach § 152 Abs. 2 StPO geboten ist.

Der Staatsanwaltschaft ist zwar zu folgen, dass den Beschuldigten kein Betrug nach § 263 StGB zur Last gelegt werden kann. Dies gilt hinsichtlich der konkreten Manipulationen mit dem Ziel des vorzeitigen Verbindungsabbruchs, weil insoweit keine Irrtumserregung erfolgt, da aufgrund des programmgesteuerten automatisierten Ablaufs keine natürliche Person angesprochen und getäuscht wird. Auch in Bezug auf den jeweiligen Vertragsschluss kann gegen die Beschuldigten nicht der Vorwurf eines versuchten Betrugs erhoben werden, obwohl nach den Gesamtumständen davon auszugehen ist, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt vorhatten, in betrügerischer Absicht Auszahlungsguthaben ohne eigene Bezahlung zu erlangen.

Sie haben aber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt und somit das Versuchsstadium noch nicht erreicht. Jedenfalls aber liegt im Vertragsschluss noch keine Vermögensverfügung der (…) mit unmittelbarer schadensgleicher Vermögensgefährdung (vgl. BGH NStZ 2005, 632) vor. Ebenso scheidet eine Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 StGB aus Rechtsgründen aus, weil dieser Tatbestand im vorliegenden Fall allenfalls auf die jeweils benutzte Telefonkarte bezogen werden könnte, deren Datensatz aber gerade nicht verändert wird, so dass auch die gespeicherte gedankliche Erklärung (Berechtigung zur Benutzung von Telefonautomaten der (…) bis zur Höhe des gespeicherten Guthabens) unverändert bleibt.

Hingegen ist der Tatbestand des Computerbetrugs nach § 263 a Abs. 1 StGB in dessen vierter Alternative ("oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf") erfüllt. Insoweit handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der all diejenigen Tatmodalitäten umfasst, die nicht bereits von den vorangegangenen drei typisierten betrügerischen Computermanipulationen erfasst werden, aber gleichermaßen strafwürdige betrügerische Beeinflussungen des Datenverarbeitungsergebnisses darstellen.

Dieser Auffangtatbestand stellt gesetzestechnisch keine Ausnahme von der Regel dar und ist deshalb auch nicht eng auszulegen, sondern bildet den Grundtatbestand ("oder sonst"), der neben den drei immer wieder auftretenden typisierten Varianten auch Tatbegehungsmodalitäten umfassen sollen, die in ihrer technischen Eigenheit bei Erlass des Gesetzes nicht vorhergesehen wurden oder - zum Beispiel wegen nicht bekannter neuer Techniken - auch nicht vorhersehbar waren (Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. RdNr. 18 zu § 263 a).

Erforderlich ist nach dieser Tatbestandsalternative eine Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Einwirkung auf dessen Ablauf, nicht aber ein unbefugter Zugang des Täters.

Diese unbefugte Einwirkung auf den Datenverarbeitungsablauf ist im vorliegenden Verfahren nach den bisher bekannten Umständen anzunehmen. Die Telefonkartenbenutzer nutzten entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht nur eine technische Unzulänglichkeit der von der (…) zur Verfugung gestellten Telefonanlage aus, sondern brachen gezielt den von ihnen selbst in Gang gesetzten Datenverarbeitungsvorgang unter Ausnutzung einer gerade zum Schutz der Telefonbenutzer vorgenommenen planmäßigen Schaltung zur Unzeit und zudem auf einem vertraglich nicht vorgesehenen technischen Weg ab, um die Leistung der (…) ohne jegliche eigene Bezahlung zu bekommen.

Rechtlich gesehen handelt es sich bei jedem einzelnen Anruf, der auf der getroffenen vertraglichen Vereinbarung beruht, um ein Zug um Zug vorzunehmendes Austauschgeschäft. Die (...) schuldet einerseits die Herstellung der Verbindung zu der angewählten Nummer sowie die Gutschrift der vereinbarten erhöhten Tarifgebühren je zeitabhängiger Gesprächseinheit sowie die Gutschrift nochmals um ein mehrfaches erhöhter Sonderentgelte bei der Anwahl bestimmter Sondernummern, wobei diese unabhängig von der Dauer der Verbindung sofort mit der Herstellung der Verbindung gutgeschrieben werden. Im Gegenzug schuldet der Telefonkartenbenutzer die Bezahlung des jeweiligen Gutschriftbetrags in Form der Abbuchung seines im voraus bezahlten und in der Karte gespeicherten Guthabens.

Technisch kommt nach der programmierten Schaltung die Verbindung dadurch zustande, dass der Benutzer eine gültige Telefonkarte der (…) mit darauf gespeichertem ausreichenden Guthaben in den dafür vorgesehenen Kartenschlitz einführt und zusätzlich die gewünschte Telefonnummer wählt. In der Telefonkarte ist einerseits ein Identifizierungscode ihres Ausgebers und andererseits ein Gebührenguthaben gespeichert, das der Höhe des bereits bezahlten Kaufpreises entspricht (Prepaidkarten).

Beide Codes werden vom Telefongerät "gelesen" und überprüft. Eine Verbindung zu der gewünschten Telefonnummer kommt nur dann zustande, wenn die Telefonkarte als Karte der (…) identifiziert und zusätzlich ein für den Aufbau der Verbindung zur angewählten Telefonnummer ausreichendes Guthaben registriert wird. Bei Verwendung von Karten fremder Anbieter oder nicht (mehr) ausreichendem Guthaben kommt nach der programmierten Schaltung eine Verbindung nicht zustande. Stattdessen erscheint im Display eine Anzeige "ungültige Karte" bzw. "kein (ausreichendes) Guthaben".

Die für die Verbindungsherstellung und die Gutschrift des erhöhten Gebührenaufkommens einschließlich eventueller Sonderentgelte für gesprächsdauerunabhängig tarifierte Sondernummern geschuldete Gegenleistung in Form der Abbuchung eines entsprechenden Gebührenguthabens von der benutzten Telefonkarte erfolgt ebenso programmgesteuert bewusst um ca. 1 Sekunde zeitversetzt erst nach erfolgreicher Verbindungsherstellung. Hierbei handelt es sich nach dem bisherigen Erkenntnisstand nicht um eine technische Unzulänglichkeit seitens der (…), sondern um eine bewusst programmierte Schaltung des Abrechnungsmechanismus, um den Kunden vor einer Abbuchung trotz lediglich angewählter, tatsächlich aber nicht zustande gekommener Verbindung zu schützen.

Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen, über den das OLG Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 26.07.2003 (NStZ 2004, 333) zu befinden hatte. In der dort zugrundeliegenden Konstellation nutzte der Beschuldigte eine rechtlich zulässige und technisch zur Verfugung stehende Signalisierungsvariante, die jedoch in dem Gebührenabrechnungsprogramm nicht berücksichtigt war, so dass die anfallenden Gebühren nicht erfasst wurden. Anders als im vorliegenden Fall, handelte es sich nicht um eine bewusste Programmgestaltung zum Schutz der Kunden, sondern um eine äußerst selten genutzte und deshalb unbedacht gebliebene technische Möglichkeit.

Die Beschuldigten des dortigen Falls hatten - anders als hier - den Programmablauf gänzlich umgangen und gerade keinen Einfluss auf ihn genommen. Dass die Programmgestaltung in beiden Fällen technisch auch anders möglich gewesen wäre und im Risikobereich des Netzbetreibers, hier also der (…) lag, ist zutreffend, aber auch unerheblich, da dies für programmgesteuerte Telekommunikationsnetze immer gilt. Daraus folgt jedoch nicht, dass deshalb § 263 a StGB in seiner 4. Tatalternative nicht anwendbar ist.

Maßgebend für das objektive Vorhegen der 4. Tatalternative des § 263 a StGB ist nur, ob die Beschuldigten auf den Datenverarbeitungsvorgang nach der konkret gewählten Programmgestaltung eingewirkt haben und ob dies "unbefugt" geschehen ist. Beide Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Beschuldigten in den vorliegenden Verfahren haben nach bisherigem Erkenntnisstand gezielt einerseits den programmierten Ablauf zur Herstellung insbesondere der angewählten Sondernummer-Verbindungen durch Einfuhren originaler (...)karten mit tatsächlich vorhandenem ausreichenden Guthaben ausgelöst und dadurch aufgrund der benutzten Abrechnungssoftware der (...) automatisch die Gutschrift des hierfür vereinbarten erhöhten Gebührenaufkommens erreicht, andererseits aber den weiteren planmäßigen Datenverarbeitungsvorgang unter Ausnutzung der an sich dem Kundenschutz dienenden Sekundenfrist sofort wieder durch Ziehung der Telefonkarte abgebrochen und dadurch die Abbuchung des von ihnen geschuldeten Entgelts verhindert.

Noch deutlicher als in dem von BGH entschiedenen Fall der Beeinflussung eines Geldspielautomaten (BGHSt. 40, 331, 334) gaben die 4 Beschuldigten dem selbst in Gang gesetzten Programmablauf nicht nur eine andere Richtung, sondern brachen ihn vollständig ab. Eine deutlichere Einwirkung auf den Ablauf und das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgang im Sinne des § 263 a Abs. 1 StGB ist kaum vorstellbar.

Diesem Ergebnis steht auch die Verneinung eines Computerbetrugs nach § 263 a StGB bei Einwurf mit Klebestreifen präparierter so genannter Joker-Münzen zur Ingangsetzung eines Spielautomaten (OLG Düsseldorf, NStZ 1999, 248, 249) nicht entgegen. Denn nach den dortigen Feststellungen hatten die Täter nicht auf dem Computerprogrammablauf Einfluss genommen, sondern durch ihre Manipulationen die mechanische, optische oder auch sensorische Prüfung der Münzen überlistet (aaO, Seite 249).

Im dort entschiedenen Fall lag die Manipulation somit bereits vor dem Beginn des den Spielablauf bestimmenden Datenverarbeitungsvorgangs. In den vorliegenden Fällen haben die Beschuldigten hingegen durch Einschub der gültigen Telefonkarte und Anwahl der gewünschten Nummern den programmgesteuerten Datenverarbeitungsvorgang gerade gezielt in Gang gesetzt, um diesen dann ebenso gezielt wieder abzubrechen. Die tatbestandsrelevante Einwirkung auf den Datenverarbeitungsvorgang liegt in den vorliegenden Fällen gerade nicht in dessen Auslösung, sondern in dessen Abbruch zur Unzeit und auf vertragswidrige Art und Weise. Dies macht die Einwirkung durch die Beschuldigten im Sinne des § 263 a StGB "unbefugt".

Entsprechend der Zielrichtung des Computerbetrugs nach § 263 a StGB, der lediglich eingeführt wurde, um die sonst mangels täuschungsbedingten Irrtums einer Person drohende Strafbarkeitslücke bei Betrugsdelikten unter manipulativer Einwirkung auf Datenverarbeitungsvorgänge zu schließen, ist der Begriff "unbefugt" in diesem Rahmen "betrugsspezifisch" bzw. "betrugsäquivalent" auszulegen (BGHSt 47,160). Maßgebend sind daher nur diejenigen Umstände, auf die sich die Kontrolle einer fiktiven menschlichen Person anstelle des Computers beziehen würde.

Diese fiktive Person hätte - wie das programmgesteuerte Lesegerät - in den vorliegenden Fällen lediglich anhand des Identifizierungscodes des Kartenausgebers deren Gültigkeit für das fragliche Gerät und das Vorhandensein eines ausreichenden gespeicherten Guthabens für die gewünschte Telefonverbindung überprüft. Als Ergebnis dieses Überprüfungsvorgangs hätte sich bei der fiktiven Person jedoch zusätzlich die Vorstellung ergeben, dass der Nutzer der Telefonkarte auch zur Bezahlung der gewünschten Telefonverbindung gewillt ist. Erst aufgrund dieser Vorstellung hätte eine fiktive Person die gewünschte Verbindung frei gegeben.

Gemessen an diesem betrugsspezifischen Vergleichsmaßstab haben die Beschuldigten in den vorliegenden den von ihnen jeweils selbst in Gang gesetzten Datenverarbeitungsvorgang "unbefugt" durch ziehen der Telefonkarte abgebrochen, obwohl das Ziehen der Telefonkarte als solches technisch keinen Missbrauchs des Geräts darstellt. Hierfür spricht bereits die Rechtsprechung des BGH, wonach auch auf den Willen des Automatenbetreibers (hier also der (…)) abzustellen ist (BGHSt 40, 335), mit dem ein Abbruch zum alleinigen Zweck der Vermeidung der eigenen geschuldeten Gegenleistung nicht zu vereinbaren ist.

Auch wenn man dieser sehr weitgehenden subjektivierenden Sicht nicht folgt, sondern "Unbefugtheit" nur dann annimmt wenn die fragliche Befugnis gerade zu den Grundlagen des jeweiligen Geschäftstypus gehört und nach der Verkehrsanschauung als selbstverständlich vorhanden vorausgesetzt wird (OLG Karlsruhe NStZ 2004, 334; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl., Rn 13 zu § 263 a), so liegen diese Voraussetzungen hier vor. Denn die Befugnis liegt hier in der als selbstverständlich vorausgesetzten Zahlungswilligkeit des Nutzers.

Diese hatten die Beschuldigten durch den Einschub gültiger und mit ausreichendem Guthaben ausgestatteter Telefonkarten auch konkludent zum Ausdruck gebracht. Sie war im Rahmen des programmgesteuerten "Lesevorgangs" bei der beschriebenen betrugsäquivalenten Betrachtungsweise auch für die (…) als Telefonbetreiberin für die Herstellung der gewünschten Verbindungen ausschlaggebend und wurde somit konkludent Vertragsinhalt. Diese Zahlungswilligkeit war seitens der Beschuldigten in den vorliegenden Fällen jedoch offensichtlich jeweils nur vorgetäuscht, wie sich zwanglos daraus ergibt, dass sämtliche aufgebauten Verbindungen ausnahmslos gezielt innerhalb der beschriebenen Ein-Sekunden-Frist zwischen Herstellung der gewünschten Verbindungen mit gleichzeitiger Gutschrift des fälligen Gebührenaufkommens und der Abbuchung des entsprechenden Gebührenguthabens von der Telefonkarte abgebrochen wurden. Ebenso zwanglos ergibt sich hieraus die erforderliche rechtswidrige Bereicherungsabsicht.

Zumindest für den Zeitraum zwischen 28.10. und 06.12.2004 ergibt sich gegen die hier Beschuldigten jedoch lediglich der Verdacht eines versuchten Computerbetrugs, weil die (…) in diesem Zeitraum bereits Verdacht geschöpft und interne Ermittlungsmaßnahmen ergriffen hatte, als deren Ergebnis die erlangten Gebührenguthaben nicht mehr ausgezahlt wurden. Anders stellt sich die Situation hingegen in den vorangegangenen Monaten dar, in denen die Beschuldigten jeweils bereits in gleicher Weise vorgegangen waren und tatsächliche Auszahlungen in Höhe von zusammen mehreren Hunderttausend Euro erlangt haben. Darüber hinaus wird im Rahmen der Ermittlungen auch zu klären sein, ob und in wie weit die Beschuldigten untereinander in Verbindung standen und zusammengearbeitet haben.

Nach alledem ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, die bisher aus Rechtsgründen abgelehnten Ermittlungen aufzunehmen, bis zur Entscheidungsreife fortzuführen und sodann erneut über die Einstellung des Verfahrens oder die Erhebung einer Anklage zu entscheiden.